Die EnBW liefert selbst den Beweis, dass sie ihr AKW nicht im Griff hat. Das GKN darf nach der Revision nicht wieder ans Netz.
Das AKW Neckarwestheim befindet sich zurzeit in Revision und ist deshalb abgeschaltet. Wie mit dem Umweltministerium vereinbart, wurden bei der Revision alle 16.000 Heizrohre einer Untersuchung unterzogen. Dabei wurden bei circa 1,2 Prozent der Rohre sicherheitstechnisch relevante rissartige Wanddickenschwächungen festgestellt. Die Untersuchungen wurden angeordnet, nachdem bereits 2018 bei 101 Rohre entsprechende Schäden entdeckt wurden.
„Im Koalitionsvertrag hatte Grün-Schwarz noch erklärt, bei der Überwachung der Atomkraftwerke keine Abstriche zu machen“, erklärt B. Dahlbender, Vorsitzende des BUND Baden-Württemberg. „Das ist nun eindeutig nicht der Fall. Das Umweltministerium als Aufsichtsbehörde hatte 2018 der EnBW AG grünes Licht gegeben und ihr erlaubt, mit einer geänderten chemischen Zusammensetzung der Flüssigkeiten das AKW weiterzubetreiben. Nun hat die EnBW selbst den Beweis dafür geliefert, dass sie ihr AKW nicht im Griff hat. Das Prinzip Hoffnung reicht nicht. Neckarwestheim darf nach der Revision nicht wieder ans Netz gehen.“
Der BUND weist darauf hin, dass ein derartiger Störfall schon im Jahr 2014 vom AKW-Fachmann Helmut Mayer beschrieben wurde. Mayer beschreibt ein Szenario, in dem Wasser aus dem Sekundärkreislauf durch Risse in den Heizrohren in den Primärkreislauf gelangt und den Borgehalt im Primärkreislauf so weit verdünnt, dass im Reaktor auch bei eingefahrenen Steuerstäben eine unkontrollierbare Kettenreaktion stattfindet und damit im schlimmsten Fall ein Super-GAU starten würde.
Das erscheint auf den ersten Blick sehr unwahrscheinlich, da der Druck im Primärkreislauf unter Betriebsbedingungen sehr viel höher ist als im Sekundärkreislauf. Bei einem Heizrohrleck wird jedoch der Druck automatisch angeglichen, um zu vermeiden, dass radioaktives Wasser aus dem Primär- in den Sekundärkreislauf und in die Umwelt gelangt. Aufgrund physikalischer Gesetze können bei der Druckabsenkung im Primärkreislauf Dampfblasen entstehen. Dann kommt es in dem Szenario zu Kavitation der Hauptkühlmittelpumpen und zum Eindringen von unboriertem Wasser in aus dem Sekundär- in den Primärkreislauf.
Mayer kommentiert 2014: „Dieser Störfallverlauf ist bisher weder in den Betriebshandbüchern der Kernkraftwerke beschrieben noch mit dem Betriebspersonal geschult oder trainiert worden, und er ist auch den Kernkraftwerks-Krisenstäben nicht bekannt“.
Die Reaktorsicherheitskommission hat sich im Dezember 2014 mit diesem Szenario befasst und erklärt, die Menge an borfreiem Wasser, die in den Reaktorkreislauf eindringen könne, reiche nicht aus, um zu einer nicht beherrschbaren Kettenreaktion zu führen. Dem hält der Diplomingenieur in einem Interview mit dem .ausgestrahlt-magazin entgegen, dass ihre Berechnung nur funktioniert, wenn das Volumenregelsystem des Reaktors nicht verfügbar ist. Dieses System wird auf das Eindringen von Wasser aus dem Sekundärkreislauf mit der Entnahme von boriertem Wasser reagieren, was zur weiteren Verdünnung führt.